Trekking in Sikkim und Darjeeling
Ein Bericht über eine 4-wöchige Reise in den Nordosten Indiens
(vom 14. Mai bis 10. Juni 2000) Teil 5.
Singalila Trek I Übersichtskarte |
Wir hatten uns gut informiert und fanden, daß sich dieser Trek im Westen Darjeelings und an der Grenze zu Nepal und Sikkim, als eine anspruchsvolle aber leistbare Aufgabe darstellte. Die Übernachtungen auf dem Trek in sogenannten "Trekker Huts" buchten wir im voraus im "DGHC-Department of Tourism", welches sich in der Nähe des Chowrasta im Gebäude des Bellevue Hotels befindet. Die sehr freundlichen und hilfsbereiten Mitarbeiter fragten uns nach unsere Fitness und unserem Zeitplan und nach wenigen Minuten war die Planung fertig. Mit dem Bus nach Manaybhanjang, weiter über Tonglu nach Gairibas (1. Übernachtung), dann über Kalipokhari nach Sandakphu (2. Übernachtung), nach Phalut (3. Übernachtung), über Gorkhey nach Raman (4. Übernachtung), bis nach Rimbik (5. Übernachtung) und zurück. In Rimbik sollten wir uns selbst eine Unterkunft suchen, da die staatliche Hütte außerhalb der Stadt sei. 340 Rupee kosteten die vier Übernachtungen für zwei Personen in den Hütten. Essen gäbe es überall, wenn auch nur in sehr einfacher Form. Unsere Namen wurden, wie noch/schon so oft, in große Bücher eingetragen. Wir wurden noch auf Dies und Jenes hingewiesen und fühlten uns insgesamt gut beraten. Wir speckten unser Gepäck ab und packten nur das Nötigste für 5 Tage ein (8-10 kg pro Person), den Rest ließen wir im Dekeling Hotel zurück. In weiser Voraussicht reservierte uns Sabine auch gleich ein Zimmer für unsere Heimkehr. Wir kauften noch ein paar Lebensmittel ein, für alle Fälle. Am Morgen des 21.05.2000 ging es dann wirklich los. Beim Studium andere Quellen, wird dem geneigten Leser auffallen, daß die Entfernungsangaben zu den einzelnen Etappen z.T. stark variieren. Der Grund für diese Abweichungen ist wohl im allgemein schlechten Kartenmaterial zu suchen. Es handelt sich bei den folgenden Werten generell um ungefähre Angaben ohne Gewähr. |
Start |
Der Bus, welcher uns nach Manaybhanjang bringen sollte, fuhr überpünktlich um 5:50 Uhr statt um 6:00 Uhr am Bus- und Taxistand auf der Hill Cart Road ab. Sabine und ich waren etwas spät dran und hatten Probleme noch einen Platz zu bekommen. Als wir los fuhren konnte Sabine sitzen und ich stand, leicht gebückt weil die Höhe des Busses sehr gering war, mitten im Gang, dicht gedrängt, mit Blick nach vorn auf den Fahrer. Sabine: Der Verkehr ist zwar um diese Zeit nicht sehr dicht, doch ging es trotzdem nur langsam voran. Viele Leute standen an der Straße und wollten mit, doch der Fahrer hielt meist nur zum Aussteigen. Die Koordinationsaufgabe zwischen Fahrer und ein- bzw. aussteigenden Gästen übernahm ein junger Mann an der Bustür. Durch heftiges schlagen auf die Wand des Busses signalisiert er "Losfahren, alles O.K."; "Stop, das steht noch Einer"; "Langsam weiter, es ist ganz schön eng". Alles klappt bestens, auch die engsten Stellen werden passiert und auch als die Strasse immer schlechter wurde hatte das Busteam alles im Griff. Für die ca. 23 km lange Strecke von Darjeeling nach Manaybhanjang benötigte der Bus etwa 1,5 Stunden. So gegen 8:00 Uhr und mit Regen und Nebel kamen wir in Manaybhanjang an, und es stellte sich heraus, daß mein Stehplatz wohl mindestens genauso komfortabel war wie Sabines Sitzplatz. |
Manaybhanjang |
Wir wurden bei unserer Ankunft gleich von ein paar "Offiziellen" empfangen und zum "Foreigners Check Post" geführt. Unsere Namen wurden, wie noch/schon so oft, in große Bücher eingetragen und wir darauf hingewiesen, daß das Verlassen der Route gefährlich, und die Einreise nach Nepal verboten sei. Es wurden noch ein paar Witze über das Wetter gemacht und dann ging es los. Wir zogen die Regenjacken gleich an und machten uns auf den Weg, der heute etwa 20 km lang sein sollte. Schon nach kurzer Zeit wurde uns klar, daß das Tragen eines 10 kg Rucksacks über mehrere Stunden hinweg äußerst anstrengend ist. Unsere Fitness bewahrte uns wohl vor dem Gröbsten, doch blieb es eine ganz schöne Schlepperei. Der mit großen Natursteinen gepflasterte Weg, Karten sprechen hier von einer "jeepable Road", war gut markiert und trotz z.T. starken Nebels, hatten wir nie Angst ihn zu verlieren. Unsere Durchschnittgeschwindigkeit lag bei etwa 15 Minuten pro Kilometer, was bedeutete, daß wir wohl etwas weniger Zeit benötigen würden als in den meisten Beschreibungen angegeben war. Gutgelaunt und ziemlich naß erreichten wir nach ca. 3 Stunden die Tonglu Trekkers Hut, bisher ging es stetig bergauf. Sicht: 1-10 Meter |
Tonglu - Jaubari |
Wir sahen die Trekkers Hut nur vom Pfad aus, doch die Hunde bellten vor Freude und gesellten sich auch gleich zu uns. Ein paar Meter weiter sprach uns ein Frau an und fragte uns wohin wir wollten. Sie sagte der Weg über Jaubari sei kürzer und wir sollten ihr folgen. Wir kannten diese Abkürzung, hatten aber im Vorfeld beschlossen den offiziellen Weg zu gehen, da Jaubari in Nepal liegt. Unsere Abenteuerlust und die netten Worte der Frau führten aber dazu, daß wir diese illegale Grenzüberschreitung in Kauf nahmen und Jaubari ansteuerten. Der überwiegende Teil des Singalila Trekks geht entlang der Grenze Indien-Nepal, wobei man sich meist auf der rechten und somit indischen Seite der Grenze befindet. Nachdem wir den einsamen und unbemannten Grenzposten passiert hatten, kamen wir bald nach Jaubari. Hier gibt es ein paar private Unterkünfte, aber da das Wetter immer noch sehr regnerisch war, hielten wir nicht an, sondern zogen weiter in Richtung Gairibas. Der Weg bog in Jaubari rechts ab und führte uns weiter bergab, direkt... zu eine Müllhalde. Ob dies der richtige Weg ist, fragten wir uns? Nach kurzer Diskussion über Zivilisationsdreck entschlossen wir uns den eingeschlagenen Weg beizubehalten. Wir hatten Recht und kamen am frühen Nachmittag in Gairibas an. |
Gairibas |
Gairibas besteht, wie eigentlich die meisten Dörfer auf unserem Trek, nur aus ein paar Häusern. Die Trekkers Hut konnten wir also nicht übersehen und Sabine machte sich gleich auf die Suche nach der zuständigen Person. Zwei junge Frauen zeigten uns unser geräumiges Zimmer im 1. Stock und versprachen uns Abendessen zwischen 19:00 und 20:00 Uhr. Die Trekkers Hut hier ist repräsentativ für alle übrigen Hütten: Ein großes Haus mit Erdgeschoss und 1. Stock; kein Strom höchstens Batterielampen; meist kein fließendes Wasser im Haus; Etwas abseits eine separate Küchenhütte mit offener Feuerstelle. Wir machten es uns also bequem in unserem Zimmer, breiteten unsere nassen Sachen zum Trocknen aus und erkundeten die nähere Umgebung. Es war nasskalt und sehr neblig. Außer uns waren zu diesem Zeitpunkt nur zwei indische Trekker anwesend, das Haus war also fast leer, daß sollte sich aber bald ändern. Eine englische Studentin und ihr indischer Führer waren die nächsten Gäste, gefolgt von etwa 40 pubertierenden Mädchen vom HMI mit ihren Trainern. Sowohl die Engländerin, als auch die Mädchen vom HMI sollten in den kommenden Tagen immer wieder unseren Weg kreuzen. Im Laufe des Nachmittags stellte sich heraus, daß die zwei Inder die Vorhut für die HMI-Gruppe waren, und einer von ihnen ein "Everester" war, also ein Bezwinger des höchsten Berges der Welt, den wir mit eigenen Augen noch sehen sollten. Die Mädchen machten einen mehrtägigen Trek im Rahmen eines mehrwöchigen Kletter- und Trekkingkurses. Die Mädchen kamen aus allen Regionen Indiens und aus reichem Elternhaus, was man sowohl an ihrer Sprache, einer Art Hindi-Englisch, als auch an ihrer z.T. sehr teueren Kleidung merkte. Nicht allen machte das Wandern bei diesem Wetter wirklich Spaß, doch sie waren wohl erst am Anfang ihrer Tour und die Stimmung war noch recht gut. Da wir langsam doch recht hungrig wurden, wollten wir uns nach dem Stand des Abendessens erkundigen und wurden gleich in die Küchenhütte eingeladen. Die Einladung kam uns sehr gelegen, denn langsam wurde es doch kühl. Wir nahmen also Platz in der dunklen Hütte und beobachteten die beiden jungen Frauen bei der Zubereitung unseres Abendessens. Es wurde gekocht, gebacken und gebraten und das Alles an, auf und neben einer offenen Holzfeuerstelle, wir waren begeistert. Wie auch an den nächsten Tagen gab es Dal (Linsensuppe) mit Gemüse. Die Art und Weise wie das Essen zubereitet wurde, die Leichtigkeit mit der Stapel von Brot entstanden und Töpfe voll Gemüse koordiniert wurden faszinierte uns nachhaltig. Wir aßen zusammen mit der Engländerin und ihrem Führer und unterhielten uns über das Wetter, die Landschaft und die Etappen der nächsten Tage, denn auch sie wollten zum Sandakphu. Es wurde früh dunkel und wir schnell müde, sodaß der Abend mit dem Abendessen beendet wurde. Die Anstrengungen dieser ersten und recht langen Etappe bescherten uns einen guten Schlaf. Am nächsten Morgen stellten wir fest, daß sich das Wetter nicht geändert hatte. Nebel, Regen und recht kalt. Die HMI-Gruppe startete sehr früh und wir wurden Beobachter eines besonderen Rituals. Die Mädchen, voll bepackt mit Regenjacke und/oder Regenschirm ausgerüstet mussten vor der Hütte in Gruppen antreten und einen Rapport abgeben. Dank kurzer und unmissverständlicher Befehle, hatten die Trainer die Situation voll im Griff und Wiederwort in irgendeiner Form war nicht vorstellbar. Ich möchte noch erwähnen, daß der Vorgang etwa 5 Minuten dauerte und er im strömenden Regen stattfand. Auch wir packten nach dem Frühstück gleich unsere Sachen zusammen und machten uns dann auf den Weg. Die Strecke nach Kalipokhari ging stetig bergauf und die Wetterlage änderte sich nicht. |
Kalipokhari - Bikhay Bhanjang |
Vielleicht hätten wir diese kleine Siedlung im dichten Nebel übersehen, wenn uns nicht jemand aus einem der Häuser zugewunken hätte. Der Führer der Engländerin stand in der Tür eines Hauses und empfahl uns hier eine Rast zu machen. Das Haus bestand aus mehreren sehr niedrigen und kleinen Zimmern und wurde von zwei Frauen bewirtschaftet. Kaum hatten wir unsere Rücksäcke und Regenjacken abgelegt, wurden wir mit Tee und Keksen versorgt. Wenige Minuten später folgten kleine Behälter mit heißer Glut zu unseren Füßen. Das Wetter war ständiges Gesprächsthema und auch wir überlegten ob es sinnvoll sei den geplanten Trek bei diesem Wetter zu absolvieren, als zwei neue Bergwanderer das Haus betraten. Sie kamen von Sandakphu und erzählten uns, daß das Wetter dort oben noch schlechter sei und eine Fortsetzung des Treks wenig Sinn machen würde. Sie hatten wenig Zeit, da sie in wenigen Tagen einen bestimmten Zug erreichen mussten, und waren froh daß einer der wenigen Jeeps sie bis Manaybhanjang mitnehmen konnte. Wir beschlossen auf jedenfall bis Sandakphu weiterzugehen, um am nächsten Tag endgültig zu entscheiden. Etwas trockener, erholter und satter machten wir uns wieder auf den Weg, natürlich bergauf mit Nebel und Regen...wie sonst. Über Bikhay Bhanjang ging es weiter nach Sandakphu. |
Sandakphu |
Sabine: Diese Ansammlung von ca. 10 Häusern ist auf den ersten, aber auch auf den zweiten Blick wenig einladend. Die Möglichkeit diesen Gipfel mit dem Jeep zu bezwingen (ca. 2000-3000 Rupee) muss wohl in der Hauptsaison zu massentourismusartigen Zuständen führen. Die hygienischen Verhältnisse waren erbärmlich und auch sonst machte diese Ansiedlung keinen guten Eindruck, unsere Stimmung sank. Das Essen war zwar lecker und das Paar, welches unsere Hütte betreute war sehr nett und hilfsbereit, doch die ganze Atmosphäre war eher trostlos. Die nach uns eingetroffenen Mädchen der HMI-Gruppe beklagten sich lautstark über die Strapazen der Etappe, das schlechte Wetter und das, ihrer Meinung nach, schlechte Essen. Draußen war es nass, kalt und dunkel, sodaß wir beschlossen schon am frühen Abend ins Bett zu gehen. Nach einer umfangreichen gegenseitigen Rückenmassage begannen wir uns aus James Hilton's Roman "Lost Horizon" (Der verlorene Horizont) vorzulesen. Die Kerzen verbreiteten eine romantische Stimmung und wir folgten Hiltons Geschichte über Shangri La, der wunderbaren Lamaserei irgendwo in Tibet. Nach einigen spannenden Stunden des Vorlesens schliefen wir zufrieden ein, und hofften auf besseres Wetter. Dieses Massage- und Vorlese-Ritual sollte uns noch den ganzen Urlaub begleiten und kann nur empfohlen werden. Der nächste Morgen brachte die Wende und begann sehr spannend. Sabine wachte früh am Morgen auf und der Blick durch die beschlagenen Fenster verhieß keine Besserung. Doch nach einigen Augenblicken bemerkten wir doch einige Abweichungen: Hektische Stimmen und geschäftiges Treiben außerhalb der Hütten, und das alles noch vor 5:00 Uhr! Wir zogen uns schnell an und liefen raus. Und da waren SIE endlich...nach Tagen ohne Sicht empfingen uns schneebedeckte Berge aus der Ferne. Lothse, Everest, Makalu und das Kangchenjunga Massiv (8586m), all die Achttausender welche wir bisher nur aus Filmen oder Büchern kannten, in greifbarer Nähe (ca. 40km). Der Anblick war beeindruckend und ergreifend und nicht immer gelang es uns die Freudentränen zu unterdrücken. Es war kaum zu glauben, gestern wollten wir noch den Trek abbrechen und heute standen wir vor den höchsten Bergen der Welt. Überall standen Leute mit fröhlichen Gesichtern und machten Fotos. Es wurde über die Höhe und die Namen der einzelnen Gipfel diskutiert und die erfahrenen Trekker erklärten zum x-ten mal wo der Mount Everest zu finden ist. Ein Ziel unserer Reise hatten wir erreicht, wir hatten das Dach der Welt gesehen. Leider können die Bilder diese Stimmung nicht wiedergeben, aber vielleicht kann man erahnen wie glücklich wir waren. Nach einiger Zeit umhüllten wieder Wolken die Gipfel, doch das Wetter blieb überwiegend trocken und auf der nächsten Etappe sollte die Sicht gut bleiben. Wir starteten noch vor 8:00 Uhr nach Sabarkum und Phalut. |