Trekking in Sikkim und Darjeeling
Ein Bericht über eine 4-wöchige Reise in den Nordosten Indiens
(vom 14. Mai bis 10. Juni 2000) Teil 11.
Dzongri Trek III Dzongri |
Der Name Dzongri beschreibt eigentlich weder eine Siedlung noch einen richtigen Gipfel. Denn außer einer Trekker's Hut gibt es hier nicht viel, der Name steht vielmehr für ein ausgedehntes Plateau auf etwa 4000m Höhe, welches als Yak-Weide dient und den Gipfel auf etwa 4300m Höhe. Die Trekker's Hut in Dzongri stellt eine sehr einfache Übernachtungsmöglichkeit dar und verglichen mit all den anderen Hütten müssen wir ihr die Auszeichnung extrem primitiv und heruntergekommen verleihen. Die Räume waren rußgeschwärzt und der allgemeine Zustand des Gebäudes war schlecht, so dass wir uns nur sehr langsam an diese Behausung gewöhnten. Wir hatten gutes Wetter und konnten uns zum Glück auf einer Wiese etwas sonnen und als wir zurück auf die Hütte schauten, im Hintergrund die Wolken und den blauen Himmel sahen, im Vordergrund die grüne Wiese, erinnerte uns das Bild doch sehr an eine Alm in den Alpen. Außer unserem kleinen Expeditionsteam war noch eine Pilgergruppe anwesend, welche wir schon auf dem Weg mehrfach gesehen hatten. Jüngstes Mitglied dieser Gruppe war ein drei bis vier Jahre alter Junge, und obwohl wir wussten, daß er den größten Teil der Strecke getragen wurde, fanden wir es doch beeindruckend, dass er auf einer solchen Tour dabei sein durfte. Die 4000m Höhe schienen ihm nichts auszumachen und er spielte mit seinen Eltern eine ganze Weile neben der Hütte. Kurz nach unserer Ankunft wurden wir von unserer Crew mit heißem Tee versorgt, doch diesmal hatten sie sich noch etwas besonderes einfallen lassen: Es gab Popcorn! Herrn Thupten wollte mit uns einen kleinen Spaziergang machen und da es noch früher Nachmittag war, nahmen wir das Angebot gerne an. Da die Hütte selbst von hohen Bergen umgeben ist, hatten wir bisher noch nicht viel von der Landschaft gesehen. Der Weg führte von der Hütte links über einen kleine Hügel. Wenig später sahen wir das Dzongri-Plateau und weiter entfernt eine kleine Hütte, dies sollte unser Ziel sein. Yak-Hirten nutzen diese kleine Hütte während der Weidezeit als Unterkunft und es überraschte uns nicht, dass Herr Thupten auch diese Yak-Hirten kannte. Wir wurden in ihre Hütte eingeladen und wenig später wurde uns Tee mit Yak-Milch angeboten. Da saßen wir also in einer kleinen Yak-Hütte auf etwa 4000m Höhe, auf einer offenen Feuerstelle wurde Tee mit Yak-Milch zubereitet, von der Decke hing Yak-Käse zum Trocknen, die Männer unterhielten sich wahrscheinlich über Yaks und im Hintergrund hörten wir Radio Nepal aus einem kleinen Mittelwellenempfänger. Als am späten Nachmittag langsam die Sonne hinter den mächtigen Bergen verschwand, sank die Temperatur deutlich, und obwohl wir all unsere T-Shirts, Sweatshirts und Jacken angezogen hatten, war uns ziemlich kalt. Da wir eigentlich nicht damit gerechnet hatten in unserem Urlaub auf über 4000m Höhe und bei Temperaturen unter 10oC zu übernachten, war unsere Ausrüstung in diesem Fall etwas unzureichend, doch wir hielten uns gegenseitig warm und trösteten uns mit der Einsicht, dass wir nur eine Nacht in dieser Höhe verweilen würden. Nach einem umfangreichen und wie immer ausgezeichneten Abendessen gegen 19:00 Uhr wurde der nächste Tag geplant. Herr Thupten schlug vor, bei guter Wetterlage noch vor dem Frühstück den Dzongri Peak zu besteigen um den Sonnenaufgang mitzuerleben. Es wurde 4:30 Uhr als Startzeit vereinbart. |
Sonnenaufgang |
Die Nacht war wie erwartet: kalt und kurz. Als wir um 4:15 Uhr geweckt wurden, ahnten wir noch nicht, dass dieser Morgen der Höhepunkt unseres gesamten Urlaubs werden sollte. Der Tag begrüßte uns dunkel und kühl, aber das Wetter machte uns Hoffnung auf eine gute Sicht. Unbeeindruckt von Tageszeit und Höhe führte uns Herr Thupten den Berg hoch und es fiel uns schwer seinem Tempo zu folgen. Jack Kerouac beschreibt in seinem Buch "Gammler, Zen und hohe Berge" eine ähnliche Situation wie folgt: "Dann setzten wir uns wieder hin, keuchend, schwitzend in dem kalten Wind, hoch oben auf dem Dach der Welt, und wir schnieften wie kleine Jungen, wenn sie an einem späten Sonnabendnachmittag im Winter ihre letzten kleinen Spiele spielen." Nach ungefähr 45 Minuten kamen Herr Thupten und ich auf dem Gipfel an. Sabine hatte mit der zunehmenden Höhe zu kämpfen, doch sie schloss nur wenig später zu uns auf. Da standen wir nun schweigend und frierend in 4300m Höhe und warteten auf den Sonnenaufgang. Die Bergspitzen waren noch von Wolken verhüllt, als ganz langsam ein Gipfel nach dem anderen von der Sonne erfasst wurde. Die Konturen und Schatten der Bergformationen wurden immer deutlicher und gegen 5:30 Uhr lag das ganze Panorama in seiner erhabenen Schönheit vor uns. Nochmehr als auf Sandakphu, als wir den Kangchenjunga (8586m) zum erstenmal sahen, waren wir ergriffen von diesem unbeschreiblichen Anblick. Es dauerte fast eine Viertelstunde bis wir uns trauten andächtige Schweigen zu beenden. Wir sahen zu wie der Wind die letzten Wolken auflöste und langsam spürten wir die wohlige Sonnenwärme auf der Haut. Sabine: Wir genossen noch eine ganze Weile sowohl den schönen Ausblick, als auch die steigende Temperatur. Gegen 6:00 Uhr traten wir langsam den Rückweg an, getrieben von einem immer stärker werdenden Hungergefühl. Kurz nachdem wir unsere Hütte wieder erreicht hatten, wurde uns das Frühstück serviert, diesmal in Form eines Picknicks im Grünen. Eine große Decke wurde ausgebreitet auf der wir Platz nahmen, es gab Pfannekuchen in unbeschreiblicher Menge und Qualität und die Sonne war um 7:00 Uhr schon so intensiv, ds sowohl Sonnenbrille als auch -creme zum Einsatz kamen. Wie schon beim vorangegangenen Trek, hatten wir auch diesmal im entscheidenden Augenblick sehr viel Glück mit dem Wetter. Herr Thupten erzählte uns später, daß er seit langem keinen so schönen Sonnenaufgang mehr erlebt hatte und selbst im Oktober die Sicht oft von Nebel und Wolken beeinträchtigt wird. Nach unserem ausgedehnten Frühstück begannen wir langsam unser Gepäck zu packen und uns auf den Heimweg vorzubereiten. Doch vor dem Start wird üblicherweise noch einmal das WC aufgesucht. Obwohl ich bisher und auch in Zukunft, keine Detailbeschreibungen von Toiletten oder toilettenartigen Einrichtungen abgegeben habe bzw. abgeben werde, möchte ich an dieser Stelle eine Ausnahme machen, und das außergewöhnlich WC auf Dzongri etwas genauer beschreiben. Es handelt sich um eine kleine Hütte, welche in Sichtweite der Trekkers-Hut aufgebaut wurde. Aber erst nach dem Öffnen einer der drei Türen wird deutlich, dass dieser Platz nicht zufällig gewählt wurde: Die Hütte befindet sich direkt über einem kleinen natürlichen Bach, dessen Bett auf der Länge der Hütte in Beton gefasst wurde, um die Fließgeschwindigkeit etwas zu erhöhen. Die Hütte hat keinerlei Inneneinrichtung und besteht nur aus Dach, Wänden, drei Türen und dem befestigten Boden. Ich hoffe, daß der geneigte Leser die extrem einfache aber effektive und sehr hygienische Funktionsweise dieser Einrichtung auch ohne weiter Angaben versteht und verzichte an dieser Stelle auf eine Detailzeichnung. |
Rückweg Dzongri-Tshoka |
Für den Rückweg benutzten wir die gleiche Route wie schon vor wenigen Tagen auf dem Hinweg. Durch die häufigen Regenfälle war der Weg teilweise sehr aufgeweicht und glitschig und somit gerade bergab sehr anspruchsvoll. Wir kamen in Tshoka an noch bevor der übliche Nachmittagsregen einsetzte. Wir hatten wieder das gleiche Zimmer, doch wurde es diesmal von einem schwarzen Hund mit stahlblauen Augen bewacht. Ein Geschöpf aus einem Stephen King Roman hätte nicht bedrohlicher wirken können, doch stellten wir schnell fest, daß der Hund keinerlei Interesse an uns hatte und nur vor dem Regen geflüchtet war. Später bemerkte Sabine noch, dass der Hund sich wohl zwischenzeitlich von ein paar blutdurstigen Parasiten der ekeligen Art befreit hatte, denn sie hatte ca. 8-10cm lange Blutegel auf unserer Veranda gefunden. Am Abend zog über der Ebene am Fuße des Himalaya ein Gewitter auf und wir beobachteten von unserem exponierten Platz aus die unterschiedlichsten Blitze. Da wir uns ja immer noch auf 3000m Höhe befanden, konnten wir sowohl die Blitze unterhalb der Wolkenschicht, als auch das Leuchten innerhalb und oberhalb dieser Schicht gut verfolgen. Wir standen lange draußen und genossen diesen besonderen Anblick aus der Vogelperspektive. Etwas später klarte es direkt über uns auf und ein atemberaubender Sternenhimmel löste die Wolken ab. Ohne die in Deutschland übliche Lichtverschmutzung ist der Kontrast zwischen schwarzem Himmel und leuchtenden Sternen viel stärker und intensiver. Sabine erkannte trotz der etwas ungewohnten geographischen Lage einige Sternformationen, denn auch hier konnte sie sich auf ihren Orientierungssinn verlassen. Auch diese Nacht war kühl, doch fühlten wir uns in der gemütlichen Unterkunft sehr viel wohler als in der spartanischen Hütte auf Dzongri, so dass wir etwas Schlaf nachholen konnten. |